Die alte Dame führt durch ihre Wohnung, munter und bei bester Gesundheit. „Wollen Sie mal sehen? Genau dort wurde ich geboren – ich war eine Hausgeburt. Das war ja früher nichts Seltenes“, erzählt Maria Hacks und zeigt auf eine Ecke ihres heutigen Schlafzimmers. Das war im Juni 1932.
Viele erreichen heute ein so hohes Alter, aber wohl die wenigsten bleiben ihr ganzes Leben in derselben Wohnung. Für Maria Hacks ist das ein Privileg. Auch im hohen Alter noch selbstständig hier am Sigambrerweg im Quartier Essen-Karnap zu wohnen ist ihr wichtig. „Die Treppen in die erste Etage schaffe ich noch. Und der Supermarkt ist nur ein paar Minuten entfernt – da kann ich alles einkaufen, was ich brauche.“ Außerdem habe sie nette Nachbarn. „Und vor allem meinen lieben Sohn, meine Schwiegertochter und meinen Enkel, die mich unterstützen, seit mein Mann vor fünf Jahren gestorben ist. Da bin ich gut versorgt.“
Wie fühlt es sich an, wenn man so lange in einem Haus wohnt? „Es gibt viele Erinnerungen …“ Maria Hacks lächelt und erzählt vom Vater, der einst aus Kleve nach Essen kam, um auf der Zeche Mathias Stinnes als Bergmann zu arbeiten. Von der Mutter aus dem Sauerland, die in Karnap bei einer Tante in deren Gaststätte aushalf, und wie beide sich dort kennenlernten und heirateten. Sie zeigt ein altes Foto vom Erstbezug des Neubaus 1929 in der damaligen Zechensiedlung, die sich heute im VIVAWEST-Bestand befindet. Zu ihren Kindheitserinnerungen gehört, dass die Straße damals noch Leonorenstraße hieß und erst von den Nationalsozialisten Ende der 1930er-Jahre umbenannt wurde. „Der neue Name war immer ein Zungenbrecher!“ Sie schüttelt den Kopf. Überhaupt, der Krieg. Sie erinnert sich an Bombennächte und Ausharren im Keller. Ein einschneidendes Erlebnis war für die 90-Jährige auch der Emscher-Deichbruch im Februar 1946, der niedrig gelegene Stadtteile wie Essen-Karnap flutete. „Das war schlimm! Da kamen wir nur mit Kähnen und auf Stegen in unsere Häuser, da war das Erdgeschoss voll mit Abwasser.“
Die glücklichen 1950er-Jahre
Im Rückblick seien die 1950er-Jahre für sie die schönste Zeit gewesen. Da gründete sie eine eigene Familie und lebte mit ihrem Mann und ihrem 1956 geborenen Sohn Heinz-Jürgen in der Wohnung, die sie übernehmen konnte. Denn ihr Mann arbeitete in der Essener Glashütte, zu der Zeit Ruhrglas, sie durften in dem Zechenhaus bleiben. „1980 mussten wir dann mal für vier Monate ausziehen – da wurde das Haus saniert. Dann hatten wir statt eines Kohleofens eine Gasheizung. Im Jahr 2002 wurde noch mal renoviert, und seitdem habe ich den Balkon.“ Wenn sie dort ihre Blumen hegt und pflegt, schaut sie auf weite, unverbaute Grünflächen. „Den Garten hinter dem Haus gab ich vor drei Jahren auf. Das war dann doch zu viel Arbeit. Den pflegen jetzt meine Nachbarn.“ Sie habe einen guten Kontakt zu den anderen Bewohnern. Einige wohnen selbst schon seit mehr als 50 Jahren hier und sind über 80 Jahre alt. „Es ist schön hier. Das ist und bleibt mein Zuhause.“