Auf dem Hof Wessels in Herten ist es ruhig. Hühner laufen in der Sonne über die Wiese, ihr Glucksen durchbricht gelegentlich die Stille. Am Rand steht ein großes Backsteinhaus, aus dem Jelena Walczyk tritt. Es ist Nachmittag – und die Erzieherin erwartet Kinder aus dem nahe gelegenen VIVAWEST-Quartier in Herten-Süd.
„Sie sind heute das erste Mal hier. Deshalb machen wir einen Rundgang, damit sie alles kennenlernen“, sagt sie. Kaum hat sie ausgesprochen, tauchen die ersten Jungen und Mädchen auf und versammeln sich neugierig auf der Wiese. Begleitet werden sie von Betreuerin Inga Strunk, Projektleiterin des Quartierbüros Herten-Süd.
Höhepunkt der Woche
„Für viele Kinder ist das der Höhepunkt der Woche“, sagt sie. Sowohl das Quartierbüro in einer VIVAWEST-Wohnung an der Elisabethstraße als auch der Hof Wessels werden von der Hertener Bürgerstiftung betrieben. Besonders das Quartierbüro hat sich durch seine gemeinnützige Arbeit als feste Anlaufstelle etabliert – inklusive Ausflügen zum Hof. „Viele der Kinder kommen aus den umliegenden VIVAWEST-Quartieren. Einige wohnen sogar im selben Haus, in dem sich unser Büro befindet“, sagt Strunk.
Ein lebendiger Ort
Bevor das Abenteuer für die Kinder beginnt, gibt Jelena Walczyk einen kurzen Einblick in die Geschichte des Hofs. 2000 übernahm die Hertener Bürgerstiftung das damals verlassene Gelände, um einen Ort für ökologische, soziale und berufliche Bildung zu schaffen. Heute ist der Hof ein lebendiger Lernort – auch dank Karina Spohr.
Die Erzieherin kam 2004 dazu und leitet ihn inzwischen. „Damals wollten wir eine Anlaufstelle für junge Menschen schaffen, die den Übergang von Schule in Beruf oder Studium nicht geschafft hatten“, sagt sie. Doch mit der Zeit wuchs auch der Bedarf an Bildungsangeboten für Kinder. Seit 2005 vermittelt der Hof deshalb kindgerecht Wissen über Natur und Landwirtschaft.
Längst ist der Hof nicht mehr nur ein Ziel für Kinder, auch Erwachsene finden hier eine Aus[1]zeit vom stressigen Alltag. Besonders beliebt sind der Hofrundgang, das Zubereiten von Butter, Brot und Kräuterlimonade sowie das Backen von Stockbrot am Lagerfeuer. „Das Feuer zu beobachten, macht den Besuchern am meisten Spaß. Das ist immer ein Highlight“, so Spohr.
Fördern und bilden
Seit 2021 gilt der Hof als offizielles Regionalzentrum für Bildung für nachhaltige Entwicklung und erfüllt damit einen Bildungsauftrag des Landes Nordrhein-Westfalen. Dabei ist das Team um Karina Spohr auf Spenden und Fördermittel angewiesen. Ein zuverlässiger Förderer ist die Vivawest Stiftung, die den Hof mit 5.000 Euro jährlich unterstützt. „Das hilft uns, die Basisarbeit mitzufinanzieren“, so Spohr.
Lernen mit allen Sinnen
Jelena Walczyk und die Kinder sind inzwischen zum Kräutergarten gewandert. Pfefferminze, Petersilie, Zitronengras – beschriftete Schildchen in den Beeten geben Auskunft, was dort angepflanzt wurde. Walczyk klärt über die Kräuter auf und reicht sie zum Probieren. Während einige Kinder zögerlich kosten, greifen andere mutig zu und verzehren die Blätter in einem Biss.
Danach geht es zu den Tieren. Neben glucksenden Hühnern leben Ziegen, Schafe, Kaninchen und Laufenten auf dem Hof. Die Kaninchen sind bei den Kindern besonders beliebt – umso größer ist die Enttäuschung, als sich die Tiere beim Anblick der Gruppe rasch in ihre Hütte zurückziehen. „Die haben bestimmt Angst vor so vielen Leuten“, mutmaßt ein Mädchen. Dafür sorgen die zutraulichen Schafe für leuchtende Augen: „Die haben so ein weiches Fell“, sagt einer der Jungs und streichelt vorsichtig über den Rücken eines Tiers.
Zum Abschluss dürfen die Kinder noch einmal richtig toben – in einer großen Burg aus Stroh. Zur Erfrischung gibt es ein Wassereis. Als der Tag zu Ende geht, ist die größte Herausforderung, die Kinder zum Aufbruch zu bewegen. „Das geht fast allen so, die bei uns zu Besuch sind“, sagt Walczyk schmunzelnd. „Sie wollen einfach nicht nach Hause – und das kann ich gut verstehen.“ Ein größeres Kompliment kann man den Betreuerinnen und dem Hof wohl nicht machen
Das VIVAWEST-Quartier Herten-Süd
Die Vivawest Stiftung fördert das Engagement des Teams vom Quartierbüro Herten-Süd durch eine Spende in Höhe von insgesamt rund 22.000 Euro für dieses und nächstes Jahr zugunsten der Stadt Herten und der Bürgerstiftung. Es ist ein Treffpunkt für Nachbarschaftshilfe und fördert das Zusammenleben der Kulturen im Stadtteil. Kinder und Jugendliche können hier nicht nur Hausaufgabenhilfe bekommen, sondern auch an vielen Freizeitangeboten teilnehmen – zum Beispiel beim kreativen Schreiben, Töpfern, 3D-Druck oder bei spannenden Ausflügen