Wir im Quartier

Geschichtsträchtiges VIVAWEST-Quartier in Moers

Aufgrund ihrer Bergbau-Vergangenheit steht die Muspasch-Siedlung in Moers unter Denkmalschutz. Die Bewohner schätzen heute vor allem die Gemeinschaft und die großen Gärten der Wohneinheiten.

Einfach einmal um den Pudding gehen – das ist Michael Reinhards Antwort auf die Frage nach einer schönen Runde durch seine Wohnsiedlung. Egal ob man von der Pattbergstraße zuerst in die Sternstraße oder die Oststraße einbiegt, man kann rechts- oder linksherum im Kreis gehen. Die Muspasch-Siedlung in Moers, auch Pattbergsiedlung genannt, ist mit 78 Wohneinheiten überschaubar, doch in den Häusern steckt viel Geschichte. Die ersten Gebäude wurden 1927 in direkter Nachbarschaft der damaligen Schachtanlage Pattberg für Angestellte des Bergbaus gebaut und stehen heute unter Denkmalschutz.

„Ordentlich dicke Steine“

Reinhard wohnt mit seiner Frau in einer Haushälfte, die mit rund 100 Quadratmetern und dreieinhalb Zimmern etwa 20 bis 30 Quadratmeter kleiner ist als die meisten in seiner Reihe. „Mir gefällt der Stil der Häuser, die robuste Bauweise, ordentlich dicke Steine – da fühle ich mich wohl.“ Doch vor allem schätzt er den direkt an das Grundstück angrenzenden Garten – das gilt auch für seine zwei Hunde. Der Garten und die Nähe zur Natur waren vor etwa zehn Jahren der ausschlaggebende Punkt hierherzuziehen, als Reinhard nach beruflichen Stationen für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie unter anderem in Düsseldorf, Leverkusen und München wieder zurückwollte.

Nähe zum Bergbau

„Man lebt fast auf dem Land, ist aber ratzfatz in meiner Heimatstadt Kamp-Lintfort oder Moers-Repelen.“ Da er beruflich oft nach Hannover muss, spielt die Anbindung für ihn eine große Rolle: „Ich habe die Autobahn vor der Tür, höre aber nichts davon, weil die alte Halde Pattberg dazwischenliegt.“ Nähe zum Bergbau Wenn Reinhard aus seinem Haus geht, erinnert als Erstes eine Lore im Vorgarten des Nachbarn an die besondere Geschichte der Siedlung. Die Schachtanlage Pattberg selbst wurde 1993 stillgelegt. „Inzwischen ist zwar alles abgerissen und zugeschüttet, aber mir ist die Nähe zum Bergbau schon wichtig. Hier leben ja noch viele ehemalige Bergleute und sogar ein Kollege, mit dem ich zusammen in der Lehre war.“ In der Zeit des aktiven Steinkohlenbergbaus hätte Reinhard keine Chance auf eine Wohnung in der Beamtensiedlung gehabt, obwohl er nach seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser später als Staubmesser und im Betriebsrat auf Pattberg arbeitete. „hier eine Wohnung zu bekommen, das war den Steigern vorbehalten. Teilweise findet man an den Gebäuden noch heute die alten Anschlüsse, an denen überall Werkstelefone installiert waren, damit man direkt vom Pütt hier anrufen konnte“, erzählt der 55-Jährige.

Liebevolle Gestaltung

Auf der anderen Seite der Oststraße stehen Mehrfamilienhäuser. Ihre Wohnungen sind mit mehr als 100 Quadratmetern auch ziemlich großzügig, verfügen über ein Mansardenzimmer und eine Gartenparzelle, die jedoch vom Haus abgetrennt ist. Auf der Sternstraße ist es spiegelverkehrt, sodass alle Doppelhaushälften jeweils innen und die Mehrfamilienhäuser am äußeren Rand der Siedlung stehen. Viele Nachbarn geben sich Mühe, gestalten auch im Winter liebevoll ihren Eingang. Bei den Reinhards stehen mehrere dekorative Metallskulpturen im Vorgarten.

„Eine wirklich tolle Gemeinschaft“

„Wir sind hier nicht neugierig, aber aufmerksam. Wir achten aufeinander und auch darauf, wer hier so rumläuft. Es ist ein respektvoller Umgang“, meint Reinhard. Seine Nachbarin Gabriele Scholz, die seit 30 Jahren in einem der Mehrfamilienhäuser in der Sternstraße lebt, bestätigt das: „Wir haben hier eine wirklich tolle Gemeinschaft. Die Fläche für den Spielplatz an der Ecke haben wir Bewohner in Eigenregie gerodet und veranstalten regelmäßig Straßenfeste, um die Instandsetzung der Spielgeräte zu finanzieren.“ Per Whatsapp verabrede man sich zum Unkrautjäten oder Rasenmähen auf dem Spielplatz, was schon mal spontan beim gemeinsamen Grillen ende. Der Spielplatz, an dem auch das Schwarze Brett der Siedlung hängt, ist somit nicht nur für Kinder ein Treffpunkt. Im Eckhaus nebenan gab es mal eine Trinkhalle, erzählt Johannes Hartmann, der seit 19 Jahren schräg gegenüber wohnt. Doch das war sogar vor seiner Zeit.

Raus aus der Siedlung, rein in Wald und Feld

Aus den Erzählungen der ältesten Bewohner weiß er auch, dass dort, wo heute sein Garten ist, einmal ein Hühnerstall stand. „Es gab hier früher die Pütt-Verbundenheit, und daraus haben sich viele Freundschaften entwickelt.“ Der 67-Jährige weiß, wovon er spricht: Der ehemalige Elektrosteiger der Schachtanlage Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ist heute noch als Landesvorsitzender der Berg- und Knappenvereine Nordrhein-Westfalen tätig. Auch Hartmann ist vor allem wegen des großen Gartengrundstücks und der Lage hierhergezogen: „Man fährt aus der Siedlung raus und ist sofort in Wald und Feld.“

Muspasch-Siedlung Moers

Sie ist eine der gestalterisch hochwertigen Werkswohnungssiedlungen, die in den 1920er-Jahren in der Region entstanden. Südlich der Schachtanlage Pattberg wurde die Siedlung Repelen für die Bergarbeiter errichtet, nördlich des Areals die Beamtensiedlung. 1927 entstand zunächst eine U-förmige Anlage in offener Bauweise nördlich der Pattbergstraße – im Osten begrenzt sie die Oststraße, im Westen die Sternstraße. Zu den vergleichsweise großzügigen Doppelhäusern mit Walmdach gehörten Stallanbauten für die Kleinviehhaltung. In den 1950er-Jahren wurde die Siedlung um Vierfamilienhäuser erweitert. Die Siedlung steht bis auf einen Neubau aus den 1990er-Jahren unter Denkmalschutz.