Nachbarschaftshilfe in Zeiten von Corona
VIVAWEST-Mieterin Gerda Linsel näht Mund-Nasen-Masken für ihre Nachbarn.
Die Seniorin aus dem VIVAWEST-Quartier „Neue Stadtgärten“ in Recklinghausen hätte sich auch nicht träumen lassen, dass sie einmal zuhause an ihrer Nähmaschine mehr als 100 Mund- und Nasenmasken produzieren wird. Und diese dann begehrt und notwendig sind - ob bei ihren Nachbarn oder den ehrenamtlichen Helfern im nahen AWO-Seniorenzentrum sowie in der Kinderbetreuung. Aber es sind gerade besondere Zeiten.
Es geht um Mund- und Nasenmasken in der Corona-Pandemie. Die einen versuchen, damit modische Statements zu setzen. Manche weigern sich, sie zu tragen. Und für die meisten sind sie aktuell ein lästiges, aber notwendiges Übel, um damit sich selbst und andere vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. Ob beim Einkaufen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder ganz einfach beim Treffen mit anderen Menschen, allen voran Älteren und Schwächeren. Gerda Linsel ist nun fast Expertin für dieses vieldiskutierte Accessoire der Stunde – sie näht sie seit Beginn der Krise in allen Variationen. Und das ehrenamtlich.
Zu Besuch auf ihrem großzügigen und sonnigen Balkon im VIVAWEST-Quartier „Neue Stadtgärten“, selbstverständlich unter Wahrung der Abstandsregeln und mit Mund-Nasen-Schutz: Einige der Masken sind zur Ansicht auf dem Tisch ausgebreitet. Die 68-Jährige sowie ihr Mann, mit dem sie vor fünf Jahren auf die Flachsbeckwiesen nach Recklinghausen zog, gehören schließlich selbst zur Risikogruppe in Bezug auf Covid-19, und sie üben Vorsicht. „Ich selbst gehe kaum raus, das ist mir noch zu riskant. Da ist es auch sehr nett, dass unsere jüngeren Nachbarn für uns einkaufen und uns die Einkäufe vor die Tür stellen“, so Gerda Linsel. Auf gute Nachbarschaft legt sie Wert.
Früher als ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin tätig
Direkt nach ihrem Einzug war sie deshalb selbst ehrenamtliche Nachbarschaftshelferin im Quartier. „So achtet man ein wenig aufeinander. Das ist nicht so anonym. Ich hatte hier auch oft den kleinen Nachbarsjungen bei mir zu Besuch und habe auf ihn aufgepasst.“ Aus gesundheitlichen Gründen hat sie die Tätigkeit als ehrenamtliche Helferin vor einiger Zeit allerdings aufgeben müssen.
Doch dann meldete sich vor ein paar Wochen, zu Beginn der Corona-Krise, Marie-Christin Oneschkow, Leiterin des Deutschen Kinderschutzbund Recklinghausen e.V. (DKSB). Dieser hat seinen Sitz direkt um die Ecke im beliebten „Wildermanntreff“. Der DKSB kooperiert vor Ort eng mit der Vivawest Stiftung, wird von dieser gefördert. „Wir benötigen dringend Masken im Quartier. Sei es für die ehrenamtlichen Helfer in nahen AWO- Seniorenzentrum, für ehrenamtliche Nachbarschaftshelfer oder demnächst auch für die Betreuer und die Kinder hier im Wildermanntreff, wenn unsere Aktionen wieder starten. Und die müssen ja genäht werden“, erklärt Marie-Christin Oneschkow. Also fragte sie bei Gerda Linsel an – und die erklärte sich sofort dazu bereit, zu helfen.
Drei Stunden für 40 Masken
„Zum einen bin ich gelernte Damenschneiderin. Und zum anderen bin ja gerade fast nur zuhause. Ich habe viel Zeit und helfe gerne!“ An der heimischen Nähmaschine produziert Gerda Linsel die Mund- und Nasenmasken. Drei bis vier Stunden Zeit benötigt sie für rund 40 Stück. „Vor dem Nähen müssen diese ja auch noch zugeschnitten werden. Davor kommt der Stoff natürlich in die Waschmaschine, wird bei hohen Temperaturen gewaschen und getrocknet!“
Den passenden Stoff, der Kriterien wir Kochfestigkeit erfüllen muss, bekommt sie von Marie-Christin Oneschkow. Ebenso zusätzliches Material, wie etwa Gummibänder. „Letztere sind kaum noch zu bekommen“, weiß Gerda Linsel. „Da kommen die Hersteller wohl gerade an ihre Grenzen… “ Nicht nur der Kinderschutzbund in Recklinghausen hat bei der Rentnerin angefragt. „Auch für meine Nichte, die behinderte Kinder betreut, habe ich Masken genäht. Diese natürlich im kleineren Format, mit nur einer Falte. Die müssen ja auch den Kleinen passen, dürfen nicht verrutschen. Alles eine Sache der Übung.“
Mit Zuversicht in die Zukunft
Und die hat Gerda Linsel jetzt. „Ich selbst hätte anfangs auch nicht geglaubt, dass wir hier eine Maskenpflicht bekommen. Ich habe aber schon seit längerer Zeit aus Vorsicht im Supermarkt eine aufgesetzt – und wurde auch von einem älteren Mann prompt recht dumm darauf angesprochen. Meine Güte… Ich habe damals geantwortet, er würde sich noch wundern….“ Die Freude, dass sie recht gehabt hat, hält sich bei ihr in Grenzen.
Zuversichtlich blickt Gerda Linsel dennoch in die Zukunft: Im Sommer kommt ihr erstes Enkelkind – sie hat zwei Söhne – auf die Welt. „Darauf freuen wir uns! Allerdings haben wir unseren zuvor geplanten Urlaub auf der Nordseeinsel Norderney wegen Corona stornieren müssen – dort wären wir diese Woche hingereist.“ Sie lacht wieder: „Versuchen wir es halt noch einmal im September an der Ostsee, am liebsten auf Usedom. Irgendwas wird schon klappen. Und hoffentlich ohne Maskenpflicht.“ Bis dahin machen sie und ihr Mann Urlaub auf dem eigenen Balkon, den sie liebevoll bepflanzt hat. „Dafür war ich dann einmal im Gartenmarkt, um Blumen zu kaufen – das war mir doch wichtig.“
Derweil freuen sich Marie-Christin Oneschkow und auch die Vivawest Stiftung über Gerda Linsels ehrenamtliches Engagement: „Es ist toll, dass Frau Linsel sich so für ihre Nachbarschaft engagiert“, sagt Uwe Goemann, Geschäftsführer der Vivawest Stiftung. „Zusammen geht es so ein bisschen einfacher durch diese kritische Zeit“, ergänzt Marie-Christin Oneschkow.